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Aus den Urzeiten des FDCL

Nie hätten sich die Erfinderinnen und Erfinder des FDCL träumen lassen, dass aus ihrer Gründung einmal etwas hervorgehen würde, was den Namen "Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika" auch wirklich verdient. Wie viele Institutionen innerhalb der Solidaritätsbewegung war auch das FDCL ursprünglich aus der Not geboren. Seit dem Militärputsch in Chile am 11. September 1973 hatte sich das kleine Solidaritätsblättchen "Chile-Nachrichten" zu einer regelmäßig erscheinenden kleinen Zeitschrift gemausert, nach der eine große Nachfrage herrschte und an deren Redaktion im Sommer 1974 schon etwa zwanzig junge Leute mitarbeiteten. Viele von ihnen hatten Verbindungen nach Chile oder zu chilenischen Flüchtlingen und erhielten so alle möglichen Materialien: Zeitungen, Zeitschriften, Agenturmeldungen, Statistiken, Parteidokumente, Erzählungen, Fotos, Grafiken etc., zur Veröffentlichung bestimmt oder einfach zur Information.

 

Längst hatte sich herausgestellt, dass die Herausgabe einer solchen Zeitschrift nicht mehr in einer Privatwohnung zu bewerkstelligen war, und so waren wir froh, dass wir wenigstens zeitweilig in den Räumen der Evangelischen Kirche in Berlin-Wilmersdorf unterkamen und für die Produktion der Druckvorlagen die Studentengemeinde der Technischen Universität Berlin in Charlottenburg nutzen konnten. Das eigentliche Problem war aber, dass wir die sich häufenden Materialien zusammentragen und ordnen mussten, um sie auch wechselseitig nutzen zu können. Regale zu beschaffen war noch relativ einfach. Es ließ sich aber absehen, dass wir irgendwann auch Räume mieten mussten, in denen die Regale würden stehen können. Und mieten, das war uns klar, konnte nur ein eingetragener Verein.

 

"Ja" und "Amen"

 

So kam es also zur Gründung eines Vereins mit dem etwas komplizierten Namen "Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika". Als Vorstandsmitglieder wurden im September 1974 drei Personen ausgesucht, die mit ihren Doktortiteln mögliche Vermieter beeindrucken konnten. Zum 1.Vorsitzenden wurde Franz-Josef Hinkelammert erkoren, der aus Chile hatte fliehen müssen und für mehrere Semester Gastprofessor am Lateinamerika-Institut der Freien Universität war. Dritter Vorsitzender war Tilman Evers, der als Jurist gewitzt genug war, für die Eintragung des Vereins beim Amtsgericht und für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit wacker zu streiten. Ich als 2. Vorsitzender pflegte zu den Vorschlägen von Tilman "Ja" zu sagen und Franz, der 1. Vorsitzende, "Amen". Das war das Vereinsleben.

 

Die Auswahl des Namens für das Kind beruhte auf reiner Angabe. Was tatsächlich existierte, war allenfalls ein kleiner Ansatz zu einem Dokumentationszentrum in Sachen Chile. Manche von uns wollten zwar Forschung betreiben, aber nicht in diesem kleinen Verein. Und "Lateinamerika" hinter "Chile" an den Namen hängen, war eher eine Augenblicksidee. Irgendwie schien es, dass die Abkürzung mit dem "L" am Ende besser klingen, ein zu entwerfendes Logo besser aussehen würde.

 

Nachdem wir die Eintragung in das Vereinsregister betrieben hatten, war es endlich möglich, passende Räume für das schnell wachsende Archiv am Savignyplatz in Charlottenburg anzumieten. Von nun an wurden dort die Druckvorlagen für die "Chile-Nachrichten" hergestellt.

 

Der Name des Vereins erwies sich bald als Selbstläufer. Leute, die den Laden nicht kannten, erwarteten, dass dort auch wirklich geforscht würde. Und mit der Zunahme der Militärdiktaturen in Lateinamerika wuchs auch die Menge des Materials aus anderen Ländern des Kontinents. Die Nachfrage nach Informationen führte schließlich dazu, dass sich die "Chile-Nachrichten" im Sommer 1977 in "Lateinamerika-Nachrichten" umbenannten.

 

Zu dieser Zeit entdeckten einige jüngere Leute, dass man diesen Verein auch zur Entfaltung anderer Aktivitäten im Rahmen der Solidaritätsbewegung gebrauchen könnte, wenn die Bemühungen um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit etwas gründlicher betrieben würden. Sie traten bei den von der Satzung vorgeschriebenen Jahresversammlungen 1977 und 1978 einfach dem FDCL bei und begannen, das Vereinsleben auf den Kopf zu stellen. So besetzten sie den Vorstand neu, änderten die Satzung und entfalteten eine heftige Aktivität, die das FDCL mit der Zeit zu einem wichtigen Zentrum innerhalb der Solidaritätsbewegung Berlins und auch der Bundesrepublik machte.

 

Obwohl die sektiererischen Gruppen der Linken in dieser Zeit am FDCL nicht uninteressiert waren, gelang es ihnen nicht, ernsthaft Einfluss zu gewinnen. Allerdings konnte man es als von leninistischen Kaderprinzipien abgekupfert ansehen, dass der neue Vorstand 1978 eine Satzungsbestimmung durchsetzen wollte, wonach Mitglieder nur Leute sein dürften, die aktiv mitarbeiteten. Nur nach härtesten Auseinandersetzungen gelang es, dieses Verbot von Karteileichen zu verhindern. Natürlich handelte es sich dabei auch um einen verdeckte Kritik an dem bisherigen Vorstand, der fast völlig inaktiv gewesen war und es eigentlich verdient hatte, wegen "erwiesener Unfähigkeit" gefeuert zu werden. An seine Stelle trat nun ein Vorstand, dem mit Peter Kranz, Klaus Dressel und Clarita Müller-Plantenberg Leute angehörten, die mit dem Verein etwas erreichen wollten. Für zwei weitere Vorstandsmitglieder, nämlich Artur Grossmann (Recht und Finanzen) und Wolfgang Hein (Bildung) wurden regelrecht Ressorts eingerichtet, die zeigen sollten: Hier wird was getan.

 

Honoriger Beirat

 

Von jetzt ab wurden wesentlich mehr Spenden eingeworben, Archivmaterialien systematisch besorgt und ausgewertet, Veranstaltungen geplant und durchgeführt. Zu den bekanntesten Aktivitäten des FDCL in den 80er Jahren wurde die Koordination der alle zwei bis drei Jahre in Berlin stattfindenden "Lateinamerika-Tage". Auf den Briefbögen des FDCL erschienen nun nicht mehr die Namen der Vorstandsmitglieder, sondern die Beirats: Heinrich Albertz, Oswaldo Bayer, Hildegard Blum-Lüning, Heinrich Böll, Manfred Coppik. Ingeborg Drewitz, Erich Fried, Helmut Gollwitzer, Norbert Greinacher, Ernst Käsmann, Heinz Kloppenburg, Peter Lilienthal, Johann Baptist Metz, Klaus Thüsing, Volker von Törne. Eine ganze Liste wohlklingender Namen von Leuten, die über den Verein soviel Positives gehört hatten, dass sie ihn unterstützen wollten. Kurz das FDCL war nun was. Und ist es bis heute.


Urs Müller-Plantenberg

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FDCL
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