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Agroenergiepflanzen-Glossar

Photo: Kurt Damm (FDCL)

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Glossar zu Agroenergiepflanzen

Verfaßt von Sandra Schuster und Franziska Löschner

FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika

Berlin, Ende 2008

 


Maniok (Manihot esculenta)

Nordosten in Brasilien, am Ufer des Rio São Francisco: Maniok von Kleinbauern in Schwemmlandwirtschaft. Photo: Kirsten Bredenbeck (KoBra - Kooperation Brasilien)
Photo: Kurt Damm (FDCL)
Alle weiteren Photos: FDCL

(en: cassava, manioc; es: mandioca, yuca, casava, casabe; pt: mandioca, aipim, macaxeira; fr: manioc)

Familie: Euphorbiaceae (Wolfsmilchgewächse)

Herkunft und Geschichte:
Stammt ursprünglich aus den Tropen Süd- und Mittelamerika, gelangte durch portugiesische Sklavenhändler nach Westafrika und von dort in den Osten Afrikas und dann schließlich nach Asien.

Biologie:

Strauchartige Pflanze (3m hoch) bildet sprossbürtige, verdickte Wurzeln (Knollen), die das bitterschmeckende Glucosid Linamarin enthalten. (durch ein Enzym kann Blausäure freigesetzt werden.)

Ansprüche:
Verlangt warmes, feuchtes Klima mit Temp. Um 27°C und Niederschlag 500-2000 mm. Zur Stärkebildung benötigt Maniok viel Licht. Bodenansprüche sind gering. Verträgt keine Staunässe. Kultur geht ausschließlich von Stecklingen aus

Düngung:
Vor allem gute K-Versorgung Bedingung für hohe Erträge

Schädlingsbekämpfung:
Krankheiten durch Viren und Bakterien, große Schäden auch durch Ratten, Schweine, Affen o Nilpferde, blattfressende Insekten; Bekämpfung durch Anbau resistenter Sorten

Ertrag:
Zwischen 1,2 und 8,0 t/ ha beim primitiven Anbau, bei Intensivanbau beträgt der Ertrag 25 t/ ha; 2006 wurden 226 Mio. Tonnen Maniok produziert.

Hauptanbauländer:
Nigeria, Brasilien, Thailand, Indonesien, Demokratische Republik Kongo, Vietnam, Angola, Indien, Mosambik, Tansania (FAOSTAT 2007)

Indonesien will die Anbaufläche von Maniok (landessprachlich „singkong”) von 52.195 ha (2007) bis 2010 auf 782.000 ha ausweiten. Hintergrund sind ehrgeizige Pläne für den Ausbau des Agrotreibstoffsektors (Vgl. aktuell Asia, bfai Köln, „Indonesien will Biokraftstoffsektor massiv ausbauen”).

Thailändische Regierung bewilligt die Konstruktion von 12 Maniok-Ethanolanlagen ab 2008, zugrunde gelegt wird entsprechend dem Pilotprojekt eine Kalkulation von Produktionskapazität von 3,4 Millionen Litern pro Tag, ab 2008. (Vgl. Kurzzusammenfassung der Forschungsergebnisse des Pilotprojekts URL pubs.acs.org/doi/full/10.1021/es0620641, hierüber auch biopact 18/4/2007, „First comprehensive energy balance study reveals cassava is a highly efficient biofuel feedstock”, URL news.mongabay.com/bioenergy/2007/04/first-full-energy-balance-study-reveals.html

In Brasilien soll die erste Versuchsanlage für Ethanolherstellung aus Maniok ab März 2009 in der Bundeshauptstadt Brasilia gebaut werden. 10 Jahre Laborforschung zur Umwandlung von Maniokstärke in Ethanol durch das brasilianische Biotechnikinstitut EMBRAPA gehen dem voraus. (Vgl. wko.at/Wirtschaftskammern Österreichs 9/1/2009, „Brasilien: Schon bald Maniok im Tank?”, URL http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=451593&DstID=0&BrID=549 )

China, drittgrößter Ethanolhersteller weltweit, setzt ebenso auf Maniok für Produktion von Ethanol. Dürfen etwa im Gegensatz zu Europa, den USA oder Brasilien dort keine Lebensmittel zu Treibstoffen verarbeitet werden, trifft dies nicht auf Maniok zu, denn die Wurzelknolle gilt in China nicht als Lebensmittel. Anbau in semi-tropischen Region Gangxi, China National Cereals, Oils and Foodstuffs Corporation erhielt von Regionalregierung Genehmigung zum Bau einer Maniokgestützte Ethanolanlage in Provinzhauptstadt Nanning (Vgl. Worldwatch Institute, 13/7/2006, „China Embarks on Million-Ton Cassava Ethanol Base in Guangxi”, URL http://www.worldwatch.org/node/4351); 2007 plant staatliches Ölunternehmen China National Offshore Oil Co. (CNOOC) mit zwei Partnerunternehmern (Smart, Tochter der Singapore’s Golden Agri-Resources Limited, und Hong Kong Energy Ltd) das bis dahin weltweit größte Kraftstoffprojekt in Indonesien, wo u.a. Maniok zum Einsatz gebracht werden soll. (Vgl. Reuters 9/1/2007, „Update3 – China’s CNOOC in $5.5 bln Indonesian biofuel deal”, URL http://uk.reuters.com/article/oilRpt/idUKJAK17155320070109)


Produkt und Verwendung:

Flüssiger Energieträger als Treibstoff – Ethanol. Einsatz als Lebensmittel: Stärkereiche Wurzelknollen werden ähnlich wie Kartoffeln verwendet (süße Maniokvarietäten), in Südamerika und Asien werden die Blätter als Viehfutter eingesetzt. In Afrika als „Gari”zum Getränk oder Brei (fufu) verarbeitet; durch Erhitzen entsteht Tapioka, als kleinere oder größere Kugeln oder Flocken in den Handel; in Ecuador, Guyana, Kolumbien und Brasilien wird insbesondere aus den süßen Sorten Bier gebraut. Blätter werden auch als Gemüse eingesetzt. Weltweit ist Maniok für über 600 Millionen Menschen ein unverzichtbares Grundnahrungsmittel. In tropischen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas stellt es die drittwichtigste Kalorienquelle nach Reis und Mais dar und ist zudem kostengünstigster Stärkelieferant (Vgl. FAO 2008 „Pourquoi le manioc”, URL www.fao.org/ag/agp/agpc/gcds/index_fr.html)

Gentechnik:

Veränderung der Inhaltsstoffe (Verminderung des Linamaringehaltes), Anreicherung mit gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen, Virusresistenz, Pilzresistenz, Bakterienresistenz, Forschung an der Erhöhung des Stärkegehaltes und der Pflanzenentwicklung (Größe der Knolle); Freilandversuche: weltweit 11 in den USA, Indonesien, Puerto Rico; Forschung an der Produktqualität

China plant gentechnische Veränderung für Biotreibstoffgewinnung. Gemeinschaftsprojekt des Shanghaier Zentrums für Cassava –Biotechnik mit Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich: Stärkeerhöhung, zudem Verkleinerung der Stärkekörner, um sie besser lösbar zu machen. So könne man die Stärke besser zu Alkohol fermentieren (Vgl. 3sat 17/10/2008, „Gentechnisch veränderter Maniok für Chinas Biodiesel”, URL www.3sat.de/nano/cstuecke/127391/index.html )

Unternehmen, Forschungseinrichtungen:
BASF, gentechnische Forschung zur Erhöhung des Stärkeanteils (Projektkooperation mit Ohio State University „Genetic modification of cassava for enhanced starch production”, URL www.ars.usda.gov/research/publications/publications.htm; Centre for Tropical Agriculture (CIAT): umfangreiche Sortensammlung über ca. 6000 verschiedene Varietäten, in Kolumbien, Kooperation mit dem Unternehmen Petrotesting zur Erforschung der produktivsten Varietäten (Vgl. Inter Press Service News Agency / 12/10/2006, „Energy-Colombia: Harvesting Sunshine for Biofuels”)



Bemerkungen / Nutzung für die Agrotreibstoff-Produktion

Höherer Zuckeranteil als Zuckerrohr, was laut Biowissenschaftler des brasilianischen Biotechnikinstituts EMBRAPA, Luiz Joachim Castelo Branco, für „besten Wirkungsgrad”bei Ethanolherstellung spricht. Neben Saccharose enthält Maniok zudem Glukose, was den Umwandlungsprozess beschleunige. (zitiert nach wko.at/Wirtschaftskammern Österreichs 9/1/2009, „Brasilien: Schon bald Maniok im Tank?”, URL http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=451593&DstID=0&BrID=549 ).

Von der FAO werden folgende Ertragsberechnungen zugrundegelegt: global / Durchschnitt lassen sich 12 t Maniok / ha produzieren, 180 Liter Ethanol pro Tonne, Liter pro Hektar berechnet: 2070; Brasilien: Ernteertrag 13,6 t / ha; Ethanolertrag 137 l / t, Ethanolertrag 1863 l / ha; Nigeria: Ernteertrag: 10,8 t / ha, Ethanolertrag 137 l / t, Ethanolertrag 1480 l / ha (vgl. FAO, „The State of Food and Agriculture 2008. Biofuels: prospects, risks and opportunities, S. 16, URL http://www.fao.org/sof/sofa/index_en.html


Maniok-Experten empfehlen im Juli 2008 auf FAO-Konferenz in Gent, Belgien, eine „Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung”, um die viel versprechenden industriellen Nutzungsformen von Maniok, insbesondere in der Biotreibstoffproduktion zu untersuchen. Die internationale Gemeinschaft könne es sich nicht erlauben, weiter die Schwierigkeiten tropischer Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen zu ignorieren, die am stärksten von den hohen Ölpreisen und der Preisexplosion von Nahrungsmitteln betroffen sind, so Vertreter der internationalen Partnerschaft für Maniok.

Von Seiten der FAO wird unterstrichen dass entsprechende, auf Förderung von Agrotreibstoffen ausgerichtete Politiken ordnungsgemäß deren Effekte auf die Produktion von Lebensmitteln sowie die Nahrungssicherheit berücksichtigen müssten. (Vgl. FAO 25/7/2008, „Afrique: Le manioc pour la sécurité alimentaire et énergétique?”, URL www.fao.org/newsroom/FR/news/2008/1000899/index.html


Einschätzung /Preissteigerung:

Szenario des International Food Policy Research Institute prognostizieren Verteuerung: werden weltweit fossile Treibstoffe durch Agrotreibstoffe der ersten Generation ersetzt: bis 2010 zu einem Anteil von 10% / Preisanstieg von Maniok um 33%, bis 2020 zu einem Anteil von 20 % / Preisanstieg von Maniok um 135% (Vgl. FPRI, Bioenergy and Agriculture: Promises and Challenges, Focus 14, December 2006, S. 2.)
    

Weitere Informationen:

Positive Einschätzung der „Green Cassava Revolution”und Nutzung von Maniok für Ethanolproduktion in Thailand: Biopact 24/9/2007, „CIAT: cassava ethanol could benefit small farmers in South East Asia”, URL news.mongabay.com/bioenergy/2007/09/ciat-cassava-ethanol-could-benefit.html

Kolumbien: Präsident Uribe gab im August 2006, zu Beginn seiner 2. Amtsperiode bekannt, dass die Produktion von Biokraftstoffen, eine der Prioritäten seiner Administration darstelle. Wachsender Anteil komme dabei Maniok zu, das als „wenigst gehaltvollste”Grundnahrungsmittel betrachtet wird (Vgl. Inter Press Service News Agency / 12/10/2006, „Energy-Colombia: Harvesting Sunshine for Biofuels”); erste Anlage der Firma Petrotesting in der Provinz Meta produziert 20.000 Liter / Tag, 2006 befanden sich zwei weitere in Sucre und Córdoba im Aufbau. Agrarminister Tobón klammerte mögliche Umweltrisiken aus, da „offene Grasslandschaften genutzt würden, wo kein Tropenwald gerodet werden müsste”.

Ethanol-Projekt auf den Philippinien, kurzer Artikel in der Malaysia Sun, „Large ethanol plant for Philippines”, URL story.malaysiasun.com/index.php/ct/9/cid/3a8a80d6f705f8cc/id/294965/cs/1/

Zur zunehmenden Nutzung von Maniok für die Herstellung von Ethanol in Asien: Wall Street Journal 19/10/2007, „New Feedstock for Biofuels, URL online.wsj.com/article/SB119273810216963818.html

Global Cassava Partnership for Genetic Improvement, will nach Selbstangaben Instrumente der Molekularbiologie nutzen, um die Produktivät von Cassava im Sinne einer besseren Nutzung für arme Menschen in Entwicklungsländer zu steigern, vgl. URL danforthcenter.org/gcp21/

Hinweise zu weiteren Bilanz über Energieeinsparpotenzial von Ethanol-Maniok / Thailand: Thu Lan Thi Nguvyen, et al. / King Mongkut’s University of Technology Thonburi, Bangkok, ‚“Full Chain Energy Analysis of Fuel Ethanol from Cassava in Thailand”, in: Environ.Sci.Technol., 2007, 41, pp 4135-4142, Abstract: URL pubs.acs.org/doi/full/10.1021/es0620641

Maniok-Projekt in Nigeria, Nutzung der bei Nahrungsproduktion anfallenden Abfall-Reststoffe (Haut, Spreu) als Tier/Ziegenfutter: pro Tonne Maniok-Wurzeln fallen etwa 300 Kilo Abfall-Biomasse an, bislang wurden Abfälle verbrannt; vgl. voanews.com 13/1/2009 „Innovation for Nigerian Cassava and Goat Industries”, URL http://www.voanews.com/english/archive/2009-01/Innovation-for-Nigerian-Cassava-and-Goat-Industries-PART-3-of-5.cfm?CFID=121628222&CFTOKEN=79989893&jsessionid=0030b91919a67edee2917c2f523f1758121d



Gefördert von der Deutschen Behindertenhilfe - Aktion Mensch e.V., der Europäischen Union und der InWEnt GmbH aus Mitteln des BMZ.


 

 

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This publication  was elaborated within the framework of the cooperation-project "Handel-Entwicklung-Menschenrechte" of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI). More information at:

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